Pädagogische Konzeption des Kinderbauernhofs

Seit Mitte der 90er Jahre haben pädagogische Betreuungsansätze mit Tieren sowie der synonym verwendete Begriff der „tiergestützten Pädagogik“ eine weite Verbreitung und durch Gründung von Fachgesellschaften sowie einen entsprechenden theoretischen Unterbau erfahren. Inhaltlich beruhen die Betreuungskonzepte auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Kinder im Umgang mit Tieren körperlich, geistig und seelisch gefordert werden und ihre physischen und mentalen Fähigkeiten aktiver erleben. Kinder erleben Tiere als beseelte Mitgeschöpfe und begegnen ihnen mit Interesse.

Hinter dem Begriff der „tiergestützten Pädagogik“ steht daher das Leitbild eines direkten Erlebens mit dem Tier in Abgrenzung zu einem Erfahren durch Medien und Schilderungen. Der Begriff des „Erfahrens“ bedeutet hier alle Lebensbereiche der Tiere zu kennen und im wahrsten Sinne des Wortes begreifen zu lernen. Dem Zyklus des Lebens mit „Geburt“, „Aufwachsen“ und „Sterben“ kann in Tierkontakten auf allen Ebenen begegnet werden. Ein sehr wichtiger und wesentlicher Aspekt für Kinder und Jugendliche ist die Art und Weise, wie die Tiere ihnen begegnen. Tiere reagieren natürlich und völlig wertfrei. In einer zunehmend technisierten Welt ermöglicht das Erleben und Mithelfen in einer nach Vorbild eines Bauernhofs gestalteten, für Kinder vorbereiteten Umgebung, Verständnis für Naturkreisläufe zu wecken. Der regelmäßige Umgang mit Tieren fördert zudem das Verantwortungsbewusstsein für andere Lebewesen und somit das eigene Selbstvertrauen.

Der Umgang mit Großtieren ist bei Kindern zu einer Reduzierung von Hyperaktivität geeignet, z.B. durch das Misten des Stalls oder Reiten zur Förderung der Eigeninitiative. Kinder erlernen und erzielen Respekt und Erfolg durch Bodenarbeit oder Begleiten der Tiere auf die Weide und lernen in Kontrollsituationen Grenzen kennen und selbst Grenzen zu setzten. Beim Führen, Weiden und Füttern von Tieren kommt es innerhalb der Betreuungsgruppe durch das gemeinsame Tun zur verbesserten sozialen Integration der einzelnen Kinder. Schafe und Ziegen bringen im Gegensatz oder in Ergänzung zu Pferden und Ponys andere Eigenschaften für den Einsatz in der „tiergestützten Pädagogik“ mit. Auch sind sie in der Lage beim Führen und Weiden Grenzen und Hilfen zu akzeptieren, auf der anderen Seite aber auch selbst Grenzen aufzuzeigen. Sie können mit Körper und Stimme so kommunizieren, dass sie von Kindern verstanden werden, die dementsprechend reagieren können. Bei der Haltung mehrerer Tiere bieten sie durch ihre verschiedenen Charaktere für die jeweiligen Bedürfnisse, die Möglichkeit einer Auswahl und eine Thematisierung charakterlicher Unterschiede. Durch ihre Vorliebe für Futter und ihre Neugier, bieten sie gute Möglichkeiten, mit ihnen aktiv in Verbindung zu treten.

Etwas andere Akzente setzt die Haltung von Kleintieren, zu denen Hasen, Kaninchen, Meerschweine sowie als Geflügelarten Enten und Hühner gezählt werden. Die Tierhaltung versteht sich dabei nicht ausschließlich als eine Art "Mini- oder Streichelzoo" der Kinder, wenngleich die Möglichkeit, die Kleintiere in den Boxen und im Außengehege zu versorgen, und natürlich auf diesem Wege mit den Tieren zu kuscheln, einen gewichtigen Aspekt der Haltung darstellt. Dies macht die Haltung von Kleintieren insbesondere für den Umgang mit Kleinkindern oder für die Gewöhnung an Tiere überhaupt interessant. Dieser Prozess geht über ein erstes Heranführen an die Tiere, streicheln und auf den Arm nehmen hinaus und führt in zunehmend begleitende Funktionen. Die Tiere gewähren den Kindern dabei Möglichkeiten, sich zunächst mit ihnen zu befassen und Vertrauen zu gewinnen. Sie erforschen und beobachten verhaltenstypische Merkmale, versuchen die "Tiersprache" zu ergründen und Ängste abzubauen.

Zusammengefasst spielt die Vertrauensbildung im Umgang mit den Klein- und Großtieren im Hinblick auf das Übernehmen und Erlernen von Verantwortung bei Kindern unterschiedlicher Altersstufen eine wesentliche Rolle. Im Rahmen eines Kinderbauernhofs im regelmäßigen Umgang mit den Tieren erlernen Kinder spezielle Pflegearbeiten wie Füttern, Putzen, Ausmisten. Gleichzeitig bietet die Betreuung auf dem Kinderbauernhof die Tiere beim Gang auf die Weide zu begleiten, sie zu führen und auf andere Weise mit ihnen in Kontakt zu treten. Dies, sowie die entsprechend gestaltete Umgebung eines „Kinderbauernhofs“ mit den dazugehörigen Pfanzen, Anlagen, Futtermitteln und Landmaschinen, bedingt dabei die inhaltlichen Gesamtziele, die das Spatzennest mit der Einführung tiergestützter Pädagogik in seinen Betreuungseinrichtungen verfolgen und die sich in folgenden Stichwörtern zusammen fassen lässt:

  • Soziales Lernen, Integration, Einfühlungsvermögen
  • Erlernen von Tierpflege, Hygiene, Füttern, Ausmisten
  • Ökologisches Lernen > Kreisläufe der Natur und des Lebens
  • Kindern die Möglichkeit zum Tierbezug geben
  • Einbinden von Kindern in Verantwortung, Umgang mit Macht und Aggression
  • Unterschiede erkennen lernen zwischen Lebewesen und Spielzeug
  • Hilfsbereitschaft, Solidarität, Rücksichtnahme fördern
  • Gruppendynamik positiv um- und einsetzen, Konfliktlösungen anstreben und erarbeiten
  • Förderung von Selbstverantwortlichkeit; Durchsetzungsvermögen stärken